Aktuelles: Designrecht

Relevanz der Benutzungssituation und Beurteilungskriterien beim Vergleich von Geschmacksmustern

Das EuG hat mit Urteil vom 10.04.2024 (AZ.: T-654/22) zur Beurteilung von Geschmacksmustern zur Relevanz der Benutzungssituation für die rechtliche Beurteilung entschieden.

Das Urteil im Überblick

Der Fall bezieht sich auf ein Löschungsverfahren gegen ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster für Tür- und Fenstergriffe, das am 17.11.2012 angemeldet wurde. Der Nichtigkeitsantrag wurde mit der Begründung eingereicht, dass das angegriffene Design keine hinreichende Eigenart aufweise, da es keinen anderen Gesamteindruck als ein bereits bekanntes, älteres Design hinterlasse.

Die Beschwerdekammer des EUIPO schloss sich dieser Ansicht zunächst an und entschied, dass die Unterschiede zwischen den beiden Mustern für den informierten Benutzer nicht signifikant genug seien, um einen abweichenden Gesamteindruck zu vermitteln. Insbesondere der Benutzerkomfort – abgerundete Kanten des angegriffenen Musters wurde als unerheblich erachtet, da er in der alltäglichen Benutzung nicht ins Auge fallen würden.

Das Gericht der Europäischen Union hob diese Entscheidung teilweise auf. Es stellte fest, dass die Benutzungssituation und der Benutzerkomfort bei der Beurteilung des Gesamteindrucks eine entscheidende Rolle spielen. Das Gericht hebt hervor, dass der informierte Benutzer seine Aufmerksamkeit eher auf die sichtbarsten und wichtigsten Elemente richtet, die bei der Benutzung eines Erzeugnisses hervortreten. Die abgerundeten Ecken und Kanten des angegriffenen Musters würden nicht nur das Erscheinungsbild, sondern auch die Handhabung des Türgriffs beeinflussen. Dieser Unterschied sei für den Benutzer spürbar und trage somit zu einem abweichenden Gesamteindruck bei, der die Eigenart des angegriffenen Musters unterstreicht.

Anmerkung

Das Urteil verdeutlicht die Bedeutung der Benutzungssituation bei der Beurteilung von Geschmacksmustern. Es stellt klar, dass der Gesamteindruck eines Produkts nicht isoliert, sondern im Kontext seiner typischen Nutzung bewertet werden muss. Die Entscheidung hebt hervor, dass der Benutzerkomfort – insbesondere die Haptik – ein wesentlicher Aspekt ist, der die Wahrnehmung des informierten Benutzers beeinflusst.

Für vergleichbare Fälle hat dies zur Folge, dass Unterschiede in der Formgebung, die den Benutzerkomfort betreffen, nicht als unwesentliche Details abgetan werden dürfen. Das Gericht betont, dass auch subtilere Designmerkmale, die die Handhabung betreffen, hinreichend bedeutend sein können, um die Eigenart eines Musters zu begründen. Dies könnte insbesondere in Branchen relevant werden, in denen die ergonomische Gestaltung von Produkten eine zentrale Rolle spielt und die Ästhetik davon überlagert wird.

Diese Entscheidung vergrößert damit den Schutzumfang von Geschmacksmustern, indem sie die Bedeutung des Gesamteindrucks in Verbindung mit der tatsächlichen Nutzung hervorhebt. Für Designer und Unternehmen bedeutet dies, dass bei der Gestaltung von Produkten nicht nur die ästhetischen, sondern auch die funktionalen Aspekte sorgfältig berücksichtigt werden sollten, um einen wirksamen Schutz zu gewährleisten.

Haben auch Sie Fragen zum Designrecht? Dann sprechen Sie uns gerne an.

Weitere Informationen

Das vollständige Urteil können Sie hier herunterladen: Gericht der Europäischen Union, Urteil vom 10. April 2024  – T-654/22