Das Urteil im Überblick
Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg entschied am 29. August 2024 über eine marken- und urheberrechtliche Streitigkeit. Die Antragstellerin, ein großes deutsches Verlagshaus und Herausgeberin der „Bild“-Zeitung, hatte im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens gegen eine Plattform für Stockmedien Unterlassungsansprüche geltend gemacht. Streitgegenstand war unter anderem ein Foto, das eine Abbildung der Titelseite der „Bild“-Zeitung mit der markanten Schlagzeile „Wir sind Papst“ zeigte und auf der Plattform der Antragsgegnerin zur Lizenzierung angeboten wurde.
Die Antragstellerin machte einerseits markenrechtliche Ansprüche geltend. Sie ist Inhaberin der Unionsmarke mit dem bekannten roten „Bild“-Logo. Auf der Plattform der Antragsgegnerin wurden Bilddateien angeboten, die diese Marke prominent zeigten. Die Antragstellerin argumentierte, dass eine solche Nutzung eine objektive Gefahr markenrechtswidriger Handlungen begründe, da der Eindruck entstehen könne, die Nutzer seien zur Verwendung der Marke berechtigt. Zudem fehle es an einer Lizenzierung durch die Markeninhaberin.
Zum anderen wurde die Nutzung des Slogans „Wir sind Papst“ unter urheberrechtlichen Gesichtspunkten beanstandet. Die Antragstellerin sah in der Schlagzeile ein urheberrechtlich geschütztes Werk mit ausreichender Schöpfungshöhe und beanstandete die öffentliche Zugänglichmachung ohne Zustimmung.
Das Oberlandesgericht bestätigte den Unterlassungsanspruch in Bezug auf die Nutzung von Bilddateien, die ausschließlich das „Bild“-Logo zeigten. Es sah hierin eine unzulässige Vorbereitungshandlung im Sinne von Art. 10 lit. b) UMV sowie einen Verstoß gegen §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB. Dabei wurde betont, dass es sich um eine bekannte Marke handle, die einen erweiterten Schutz genieße. Die Lizenzierung solcher Bilder ohne Zustimmung des Markeninhabers könne zu einer markenverletzenden Nutzung durch Dritte führen.
Darüber hinaus betonte das Gericht, dass auch kurze Sätze urheberrechtlich geschützt sein können, wenn sie eine persönliche geistige Schöpfung darstellen. Dies sah es für „Wir sind Papst“ als gegeben an. Der Titel fasse das historische Ereignis der Papstwahl Joseph Ratzingers originell in drei Worte. Die Kombination vermittele nicht nur den Sachverhalt, sondern bringe auf knappe und zugleich kreative Weise die emotionale Reaktion vieler Deutscher zum Ausdruck. Die Verwendung des Stilmittels „totum pro parte“ („Wir“ steht für das ganze Volk) sowie der hohe Wiedererkennungswert und die öffentliche Anerkennung der Schlagzeile belegten nach Auffassung des Gerichts die Individualität des Ausdrucks. Es sei zwar eine Anlehnung an „Wir sind Weltmeister“ erkennbar, durch Inhalt und Kontext sei „Wir sind Papst“ aber ausreichend eigenständig.
Anmerkung
Die Entscheidung des OLG Hamburg markiert eine Zäsur im urheberrechtlichen Umgang mit sprachlich knappen Ausdrucksformen. Während die Rechtsprechung bislang zögerlich war, kurzen Sätzen oder Werbeslogans urheberrechtliche Werkqualität zuzubilligen, würdigt das Gericht hier erstmals explizit die kreative Eigenleistung auch in der Reduktion auf wenige, aber wirkungsvolle Worte.
Gerade im Bereich der medialen und werblichen Kommunikation, in der zugespitzte Formulierungen eine zentrale Rolle spielen, bietet das Urteil wichtige Anknüpfungspunkte. Slogans, die in markenrechtlicher Hinsicht regelmäßig an den absoluten Schutzhindernissen des § 8 Abs. 2 MarkenG scheitern, könnten künftig über das Urheberrecht eine alternative Schutzschiene erhalten. Dies eröffnet insbesondere solchen Urhebern eine Handlungsoption, deren Werke eine erkennbare gestalterische Prägung aufweisen, aber keine Unterscheidungskraft im kennzeichenrechtlichen Sinne entfalten.
Zudem gewinnt das Urheberrecht durch diese Entscheidung an Bedeutung im Kontext der Bildlizenzierung: Wer Fotografien verbreitet, auf denen prägnante Texte oder Titel wiedergegeben sind, muss künftig sorgfältiger prüfen, ob hier ein schutzfähiges Sprachwerk betroffen ist. Für Plattformbetreiber, Verlage und Bildagenturen erhöht sich das Risiko, urheberrechtlich relevante Inhalte unwissentlich zu lizenzieren.
Ob das Urteil richtungsweisend für die künftige Rechtsprechung sein wird, ist derzeit offen. Klar ist jedoch: Die Schutzfähigkeit kurzer Sätze wird künftig differenzierter zu prüfen sein.
Das Urteil unterstreicht die Rechte von Nutzern sozialer Netzwerke und schränkt die Befugnisse der Betreiber ein. Es hebt hervor, dass Plattformen verpflichtet sind, transparente und faire Verfahren zur Sperrung von Konten und Löschung von Inhalten einzuhalten. Die Entscheidung ist vor allem für die Beratung im Persönlichkeits- und Medienrecht relevant. Nutzer können sich künftig besser gegen willkürliche Maßnahmen wehren, insbesondere wenn Plattformen keine klaren Ausnahmefälle in ihren AGB vorsehen.
Weitere Informationen
Das vollständige Urteil können Sie hier herunterladen: OLG Hamburg, Urteil vom 29.08.2024 – 5 U 116/23
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