Hintergrund: Wettbewerbsrecht im Kontext der HCVO
Die europäische Health-Claims-Verordnung (HCVO) regelt, unter welchen Voraussetzungen nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben in der Werbung für Lebensmittel zulässig sind. Nach Art. 10 Abs. 1 HCVO sind gesundheitsbezogene Angaben nur dann erlaubt, wenn sie zuvor im Rahmen eines strengen Zulassungsverfahrens genehmigt und in die entsprechenden Listen aufgenommen wurden. Ziel der Vorgabe ist es, Irreführung und unlautere Wettbewerbsvorteile zu verhindern.
Der BGH hat betont, dass Art. 10 Abs. 1 und Abs. 3 HCVO Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG sind. Deren Verletzung kann zu erheblichen wettbewerbsrechtlichen Konsequenzen führen, beispielsweise zu Unterlassungsansprüchen und empfindlichen Ordnungsgeldern. Gerade für Unternehmen, die mit innovativen Lebensmitteln werben, ist die Einhaltung dieser Vorgaben daher von zentraler Bedeutung.
Was sind gesundheitsbezogene Angaben?
Die Kernaussage des aktuellen BGH-Urteils: Ob eine Werbeaussage für ein Lebensmittel als gesundheitsbezogen gilt, hängt laut Gericht maßgeblich davon ab, wie der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher diese Aussage versteht – und weniger davon, wie das Unternehmen oder Experten sie einordnen. Das Gericht verlangt im Fall der beanstandeten Kollagen-Trinkampullen eine einzelfallbezogene Prüfung unter Einbeziehung des konkreten Werbekontexts und der Gesamtaufmachung des Produkts.
Dabei kommt dem Zusammenhang zwischen der Aussage und der behaupteten Wirkung auf die Gesundheit entscheidende Bedeutung zu. Aussagen, die auf die Verbesserung von Hautfeuchtigkeit, Elastizität oder Hautdichte abzielen, werden nicht mehr nur als Beauty-Claims, sondern regelmäßig als Health-Claims eingestuft. Selbst Hinweise auf die Erhaltung einer „jungen und gesunden Haut“ sind demnach als gesundheitsbezogene Angaben im Sinne der HCVO zu werten. Dies führt dazu, dass alle gesundheitsbezogenen Werbeaussagen, die nicht ausdrücklich zugelassen sind, nach dem Wettbewerbsrecht verboten und abmahnfähig sein können.
Für die Einordnung als gesundheitsbezogene Angabe ist es laut BGH unerheblich, ob die Wirkung medizinisch exakt beschrieben wird oder nur ein allgemeiner Zusammenhang zwischen einem Lebensmittel und der Gesundheit suggeriert wird. Das Risiko liegt also bereits in vagen oder allgemein formulierten Werbebotschaften, sofern sie nach Auffassung des Durchschnittsverbrauchers einen gesundheitlichen Nutzen versprechen.
Handlungsbedarf und Risiken für Unternehmen
Das Urteil zeigt: Unternehmen im Lebensmittelbereich müssen bei gesundheitsbezogener Werbung äußerst sorgfältig arbeiten. Die Annahme, dass „nur Beauty-Claims“ betroffen seien, ist nach Auffassung des BGH überholt. Auch schöner Haut, erhöhte Elastizität oder verbesserte Hautstruktur werden unter bestimmten Umständen als gesundheitsbezogen beurteilt.
Wichtig ist, dass die entscheidende Einordnung immer an der Lebenswirklichkeit des durchschnittlichen Verbrauchers erfolgt. Entscheidend ist der Kontext der Aussage und die Werbeaufmachung. Dabei hat der BGH klargestellt, dass die Abgrenzung zwischen Gesundheits- und Schönheitsangaben kein Entweder-oder darstellt; vielmehr können Angaben gleichzeitig beides sein und unterliegen dann den strengeren Anforderungen der HCVO.
Rechtsanwälten im Wettbewerbsrecht kommt dabei eine wichtige Beratungsfunktion zu: Sie müssen Unternehmen nicht nur auf die konkreten gesetzlichen Anforderungen der HCVO hinweisen, sondern auch bei der Bewertung einzelner Werbeaussagen die aktuellen Entwicklungen der Rechtsprechung und der Behördenpraxis einbeziehen. Die systematische Prüfung und professionelle Gestaltung von Werbematerialien schützt vor teuren Abmahnungen und gerichtlichen Auseinandersetzungen.
Praxishinweis
Unternehmen sollten jede Werbeaussage zu Lebensmitteln, die einen irgendwie gearteten gesundheitlichen Nutzen verspricht – auch wenn dies nur im Zusammenhang mit Haut, Haaren oder allgemeinem Wohlbefinden steht – vor Veröffentlichung dezidiert juristisch prüfen lassen. Schon bei der Produktentwicklung und -werbung ist eine enge Abstimmung mit dem spezialisierten Rechtsanwalt ratsam, um teure Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.
Für die Praxis gilt:
- Setzen Sie die Vorgaben der HCVO und die aktuelle BGH-Rechtsprechung konsequent um – das schützt Ihr Unternehmen vor wettbewerbsrechtlichen Risiken und hohen Ordnungsgeldern.
- Prüfen Sie Werbeaussagen konsequent auf ihren Health-Claim-Charakter.
- Holen Sie im Zweifel eine rechtliche Einschätzung ein.
Rechtsanwalt Dr. David Slopek
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